Der Kunde, die Kritik und ICH

Da steht es erneut: «Kunden im Geschäft werden immer unverschämter». Solche Nachrichten, so scheint mir, häufen sich im 2023 wieder. Zwar stehen in den Artikeln die Restauration und der Detailhandel im Vordergrund, aber als ich dann neulich in der Fitness Tribune zufälligerweise auf den Artikel von Andy Karrer zum Thema gestossen bin, ist mein Interesse endgültig geweckt: Hat die Aggressivität und das bodenlose Fordern auch unsere Fitnesscenter erreicht?

Wie es der Zufall so will, war ich in den letzten Wochen als Zertifizierer in über 30 Studios und Clubs unterwegs und was ist da einfacher, als die Betroffenen grad direkt vor Ort zu fragen. So ist eine nicht ganz repräsentative, aber trotzdem spannende Umfrage entstanden.

Um es gleich vorwegzunehmen, die Antworten waren etwa fifty-fifty. Die einen bestätigten, dass sie post-Covid tatsächlich eine Verschärfung des Tones erleben, die andere Hälfte meint, es habe sich eigentlich nichts geändert. Ob sich da wirklich ein Stadt-Land Graben öffnet, liesse sich wahrscheinlich erst mit etwas professionelleren Fragebögen erheben, aber interessant war schon, dass die Zustimmung zur Frage grösser wurde, je näher ich an und in Ballungszentren gekommen bin.

Das ist mir aber gar nicht so wichtig. Denn im Laufe der Gespräche fiel der Fokus nämlich plötzlich auf die Frage, wie diese Profis an der Fitnessfront den Umgang mit Beschwerden eigentlich gelernt haben. Die Antwort überrascht nicht wirklich: Oft nämlich gar nicht, es sei denn, sie arbeiten bei einer grösseren Kette. Da gibt es – zumindest für die Standortverantwortlichen – interne Ausbildungen zum Thema.

Andy Karrer schieb in seinem Artikel: «Innerhalb des CRM gilt unser Fokus in der Regel den Bereichen Marketing und Verkauf, der Bereich Service kommt eher zum Schluss. Und im Bereich Service kommt ganz am Ende die bei vielen unbeliebte Disziplin der Bearbeitung von Beschwerden.» Und genau so gilt der Fokus innerhalb der Ausbildungskursen in der Regel der Physiologie, der Anatomie, dem Trainingsaufbau, der Ernährung etc. Fachkompetenzen werden aufgebaut, die «weichen» Faktoren hat man, oder eben nicht.

Wiederum Andy Karrer beschreibt es schön, wenn er sagt: «Wo wir ständige Nörgler vermuten, verstecken sich aber oft sehr treue und anspruchsvolle Kunden, die uns helfen möchten, unsere Leistungen zu verbessern. Sie haben den Mut, aus der Kundenmasse hervor zu treten, sich zu erkennen zu geben und es liegt an uns, diese Chance am Schopf zu packen. Unsere Einstellung gegenüber Kritik ist matchentscheidend.» Damit macht er einen – wenn nicht den entscheidenden Punkt. Und trotzdem möchte ich dazu eine Ergänzung machen. Und es wäre ein Asset für die Branche, wenn dies in den Ausbildungskonzepten einen (grösseren) Platz fänden.

Meine Studenten an der Handelsschule lasse ich beim Thema «Texte zusammenfassen» immer den Artikel «Nur Anfänger verstehen Feedback als Kritik an ihrer Person» von Mikael Krogerus und Roman Tschäppeler zusammenfassen.

Die Autoren monieren nämlich, dass Kritik oft falsch interpretiert werde, weil das Kritisieren in keiner Schulstufe erklärt und geübt würde. Feedback bedeute, einen Kritiker einzuladen. Wenn wir die Beschwerde hingegen als einen Rat ansähen, holten wir einen Partner ins Boot. Genau das sagt ja Andy Karrer auch. Deshalb sollten wir Kritik möglichst immer als Ratschlag ansehen. Und das ist die Message, die ich ergänzen möchte. Denn je mehr wir mit Rückmeldungen konfrontiert seien, desto mehr lernten wir, es nicht mehr persönlich zu nehmen, so Krogerus und Tschäppeler weiter.

Beim Feedback geht es im Kern also nur um die Frage, ob mich – oder in unserem Fall das Center – dieses Feedback weiter bringt, wenn wir es ernst nähmen.

©Qualitop – Auf Kopieren oder anderweitiges Vervielfältigen wird mit rechtlichen Schritten reagiert.

Autor

Name: Malke Urs

Beruf: Zertifizierer, Dipl. HypnoseCoach HS, Dozent am Institut für ganzheitliche Methodik

Website: zertum.ch

Motto: «Am erfolgreichsten ist ein Zertifizierungsprozess, wenn man sich auf einer Vertrauensebene trifft»

Organisationen und Menschen in ihre Kraft zu bringen bedeutet immer, einen IST-Zustand mit einem SOLL abzugleichen und Lösungsansätze zu entwickeln, die ein allfälliges Delta überbrücken. Neben den rein technischen Gesichtspunkten sind dabei vor allem die Art der Kommunikation und das Einbeziehen der richtigen Parteien matchentscheidend. Diese Erfahrung hat Urs Malke während mehrerer Jahren bei Prozessberatungen und erfolgreichen Umsetzungen definierter Normen bei diversen Bundesämtern und in der Privatwirtschaft (Grossbanken, Industriebetriebe) in der Schweiz sowie internationalen Organisationen in Genf und Rom gemacht. Heute setzt er diese Erfahrung als Coach und Therapeut in Organisationen und mit Einzelpersonen wie auch als akkreditierter Zertifizierer für das Label Qualitop ein.