«Der Aufbau von Vertrauen ist mir sehr wichtig»

Urs Malke, Zertifizierer

Zertifizierungen basieren auf Normen und erfolgen grundsätzlich nach einem Schwarz-Weiss-Schema: Normen sind entweder «erfüllt» oder «nicht erfüllt». Auch im Fall von Qualitop-Zertifizierungen müssen die Normen erfüllt sein. Wenn sie es nicht sind, müssen wir mit dem Anbieter daran arbeiten.

Am erfolgreichsten ist ein Zertifizierungsprozess in meinen Augen, wenn man sich auf einer Vertrauensebene trifft. Denn die zwei Parteien im Prozess – der Anbieter, der zertifiziert werden will, und der Zertifizierer – haben ein gemeinsames Ziel: Beide wollen mit möglichst überschaubarem Aufwand die Zertifizierung erreichen. Wenn sie das schaffen, ist eine Win-Win-Situation entstanden.

Ich bin ein Quereinsteiger, habe ursprünglich die Dolmetscherschule absolviert und beschäftigte mich danach in der IT zehn Jahre mit computergestütztem Übersetzen. Die Implementierung dieser Systeme hat viel gemein mit der Tätigkeit eines Zertifizierers, deshalb kann ich in meiner Arbeit für Qualitop heute darauf zurückgreifen. In beiden Funktionen ist es von zentraler Bedeutung, dass man beim Gegenüber Widerstände abbaut. Viele Übersetzerinnen und Übersetzer sahen beim Aufkommen der Übersetzungssoftware ihren Beruf bedroht, deshalb war es wichtig, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Vertrauensaufbau erleichtert den Zertifizierungsprozess

Genauso ist es im Zertifizierungsprozess. Damit die Normen, die es zu erfüllen gilt, nicht als bedrohlich empfunden werden, muss Vertrauen aufgebaut werden. Deshalb versuche ich, das Menschliche voranzustellen, so dass die Arbeit in einem unbelasteten Umfeld stattfinden kann. Dieser Vertrauensaufbau ist mir sehr wichtig. Denn wenn dieser stattfinden kann, ist das Zertifizieren danach ein Leichtes. Fehlt dieses Vertrauen hingegen, aus welchen Gründen auch immer, kann daraus eine zähe Sache werden.

Vertrauen erarbeite ich mir auch damit, dass ich den Zertifizierungsprozess so benutzerfreundlich wie möglich gestalte. Wenn die Zertifizierung aus Sicht des Anbieters einfach und gut strukturiert abläuft, ist er motivierter und hat unter dem Strich auch mehr Freude daran. Gerade bei den Methodenanbietern, die nicht auf einen administrativen Apparat zurückgreifen können, ist diese Unterstützung sehr wichtig. Sie müssen ein gutes Dutzend Unterlagen einreichen, und das kann schon eine Herausforderung sein. Für die eine oder den andern kann das auch bedeuten, dass er sich erst durch die Zertifizierung der Bedeutung einer strukturierten Geschäftsführung bewusst wird. Wenn der Prozess für beide Seiten schlank bleibt und wenig Zeit in Anspruch nimmt, ist das Vorgehen effizient und speditiv. Spürt der Anbieter diese Kompetenz, ist er am Ende auch zufrieden.

Der Zertifizierungsprozess bei Methodenanbietern unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von jenem bei Centern. Bei diesen geht man vorbei und sieht sich die Räumlichkeiten an; indem man vor Ort ist, bekommt man Vieles mit und kann sich einfach einen Überblick verschaffen. Methodenanbieter hingegen reichen ihre Unterlagen in digitaler Form ein, der Austausch dazu erfolgt per Mail oder Telefon. Weil man sich nicht trifft, ist es umso wichtiger, das beschriebene Vertrauensverhältnis aufzubauen.

Herausforderung Erfahrungsnachweis

Die Alarmglocken läuten bei mir, wenn bei einem Methodenanbieter zum Beispiel die Angaben zur Ausbildung und den Erfahrungsstunden schwammig daherkommen. Konkretes Beispiel Joga: Da braucht es im Minimum 100 Stunden Ausbildung, 90 Stunden Selbststudium und 50 Stunden Praxis. Die Ausbildung ist kein Problem, das wird mit Zertifikaten belegt. Aber wie weisen die Anbieterinnen und Anbieter nach, dass sie 90 Stunden Selbststudium und 50 Stunden Praxis haben?

Da sind Fingerspitzengefühl und gesunder Menschenverstand gefragt: Wenn die Ausbildung fünf Jahre zurückliegt und aus dem Lebenslauf eine Anstellung hervorgeht, zu der auch Selbststudium gehört, ist es plausibel, dass die nötige Erfahrung vorhanden ist. Wurde die Ausbildung hingegen erst vor einem Monat abgeschlossen, dürfte es schwierig sein, auf 50 Stunden Praxis zu kommen.

Fokus auf die Lösung löst Positives aus

Übe ich Kritik, tue ich dies immer wohlwollend und zielführend. Es gibt im Coaching, in dem ich ebenfalls tätig bin, einerseits problemorientierte und andererseits lösungsorientierte Ansätze. Im Zertifizierungsprozess interessiert mich ganz klar Letzteres. Es geht mir nicht darum, zu wissen, warum etwas nicht gemacht wurde; mich interessiert die Frage, wie wir dahin kommen, dass die geforderte Norm erfüllt wird. Welchen Weg müssen wir dazu gehen? Das hat für mich viel mit Qualität zu tun: Ich reite nicht auf dem Problem herum, sondern fokussiere mich auf die Lösung. Wenn die Lösung im Zentrum steht, löst das auch im Unterbewusstsein des Gegenübers etwas Positives aus.