«Das ganze Team muss Qualität anstreben»

Monika Suter, Zertifiziererin

Als Fitnessinstruktorin, die seit vielen Jahren in der Branche aktiv ist, habe ich festgestellt, dass das Qualitätsbewusstsein ausbaufähig ist. Gegenüber Bereichen wie der Medizin oder der Gastronomie etwa hinkt die Fitnessbranche meiner Meinung nach hintennach. Dabei erwarten die Kundinnen und Kunden im Fitness- und Bewegungsbereich heute überall Qualität. Zum Beispiel in der Umsetzung der Schutzkonzepte zu Corona. Als frühere Rettungssanitäterin sind für mich Notfall- und Sicherheitskonzepte sehr wichtig, das sind für mich zentrale Aspekte der Qualität.

Als Zertifiziererin versuche ich, generell einen Beitrag zur Optimierung der Qualität von Fitnesscentern und Methodenanbietern zu leisten. Ich bin ein sehr praxisorientierter Mensch. Deshalb muss ich die Plausibilität der Papiere und Konzepte in der Praxis feststellen und verifizieren können. Werden die Konzepte, die man geschrieben hat, in der Praxis auch wirklich gelebt? Funktioniert das im Alltag? Oder verstauben die Konzepte irgendwo in einem Ordner und interessieren eigentlich gar niemanden? Es reicht auch nicht, wenn sich nur die Person damit befasst, die für das Qualitätsmanagement verantwortlich ist. Da muss das ganze Team involviert sein, alle müssen Qualität anstreben.

Eine Arbeit, die sehr viel Feingefühl erfordert

Bei der Zertifizierung der Methodenanbieter ist das eine besondere Herausforderung. Denn hier machen wir keine Besuche vor Ort wie bei den Centern, da läuft alles über Telefonate und Papiere. Ich mache eine reine Plausibilisierung auf der Grundlage der eingereichten Konzepte und Dokumente. Da ist sehr viel Feingefühl gefragt, um zu erkennen, ob dies in der Praxis wirklich funktioniert oder nicht. Papier ist ja bekanntlich geduldig. Bei der Prüfung der Plausibilität hilft es mir natürlich sehr, dass ich selber Fitness unterrichte und die Szene kenne sowie vertraut bin mit der Medizinischen Trainings Therapie (MTT) der Physiotherapie.

Erfolg hat für mich drei Buchstaben: tun. Und deshalb kann man sich nicht einfach ausruhen auf dem Erreichten. In den letzten fünf Jahren habe ich mich vor allem im mentalen Bereich weitergebildet, unter anderem als Sport Mental Coach, aber auch als betrieblicher Mentor.

Medizin, Sport und Mentales als Gesamtpaket

Medizin ist ja etwas sehr Physisches, und mir fehlte immer mehr der Kopf, das Mentale, das wollte ich integrieren. Das Anatomische aus der Medizin, der Sportbereich und nun das Mentale, das ergibt zusammen ein Gesamtpaket, das für mich stimmt. Die verschiedenen Bereiche profitieren voneinander, und für mich persönlich schliesst sich der Kreis.

Ich habe mein ganzes Berufsleben genutzt, um mich weiterzubilden: Die fachlichen Kompetenzen müssen auf dem neuesten Stand sein. Meine Überzeugung ist, dass Erfahrung nicht automatisch Kompetenz bedeutet; das verläuft nicht linear. Damit will ich keineswegs sagen, dass Erfahrung nichts bringt. Meine 20 Jahre Erfahrung als Rettungssanitäterin sehe ich schon auch als etwas, das meinen Rucksack füllt.

Aber ich habe manchmal den Eindruck, dass Berufsleute unabhängig von der Branche mit zunehmendem Alter einen Kompensationsmechanismus in Gang setzen, der für mich so nicht funktioniert. Ist jemand fachlich nicht mehr ganz à jour, wird auf die grosse und wertvolle Erfahrung verwiesen. Dabei braucht es beides: Man kann nicht das eine durch das andere ersetzen und bloss auf der Schiene der Erfahrung fahren. Nur schon, weil die Jungen mit aktuellen Ausbildungen nachdrängen.

Nicht gelebte Qualität ist nicht zu übersehen

Wenn ich im Zertifizierungsprozess den Eindruck bekomme, dass die Motivation ausschliesslich monetär ist oder es nur darum geht, die Zertifizierung zu haben, damit man die Anerkennung der Krankenkasse bekommt, schaue ich genau hin. Wird Qualität überhaupt nicht gelebt, ist das nicht zu übersehen. Es hat ja auch viel mit dem Ethikkodex und der Philosophie des Qualitätsmanagements zu tun. Wie geht man miteinander um im Team? Wie mit den Kundinnen und Kunden? Wie wichtig ist mir meine Dienstleistung?

Bahnen sich im Zertifizierungsprozess Konflikte an, versuche ich, frühzeitig zu deeskalieren und nicht zu warten, bis die Suppe am Brodeln ist. Zum Beispiel unterstütze ich die Anbieter im Handling der vielen Unterlagen, die sie für die Zertifizierung benötigen. Das alles kann am Anfang durchaus abschreckend wirken. Da erachte ich es als meine Aufgabe, den Durchblick zu verschaffen und auch mal zusammen die Normen durchzugehen.

Ich will die Anbieter dort abholen, wo sie den Support wirklich nötig haben. Aber die Kriterien müssen ganz klar erfüllt sein, daran führt nichts vorbei. Wer nicht erfüllt, erhält kein Zertifikat. Ich will als Zertifiziererin eine klare Linie fahren und auf Augenhöhe kommunizieren, aber ich bin nicht die Kontrolleurin, die nur die Mängel sucht.

zertifizierer.ch