Aufgrund des Bedürfnisses der Gesellschaft nach längeren Öffnungszeiten und den Mitgliedern von Fitnesscentern nach mehr Flexibilität, die Trainingseinheiten z.B. auch früh morgens, spät abends oder am Wochenende zu bestreiten, wird eine Zunahme der Anbieter festgestellt, welche ihre Trainingsflächen teilweise auch ohne physische Anwesenheit der Betreuer zugänglich machen. Viele Inhabergeführte Fitnessclubs leben vom persönlichen Einsatz der Betreiber, welche oft mehr als 50 Stunden pro Woche vor Ort verbringen. Indem Aufgaben und Abläufe automatisiert werden, können diese Anbieter ihre Arbeitszeit reduzieren, resp. grössere Anlagen ihre Betriebskosten reduzieren, indem weniger Personalressourcen erforderlich sind. Für diese Zeit gelten besondere Benützungsvorschriften und die Mitglieder erhalten Instruktionen für Ihre Sicherheit.
Abb. 1: Zutrittssteuerung
Technische Infrastruktur
Eine der Herausforderungen für die Betreiber stellt zweifelslos die technische Infrastruktur dar, um den Zugang nur für Berechtigte ohne Anwesenheit des Personals mittels Mitgliederidentifikation zu ermöglichen und zugleich eine maximale Sicherheit zu gewährleisten. Die Installation von Zutrittskontrollterminals am Eingang, elektronische Schlösser für Schliessfächer in den Umkleideräumen und Kameras zur Videoüberwachung der Trainingsfläche sind mit Investitionen verbunden. Allerdings lassen sich dadurch viele Aufgaben automatisieren, indem zugleich das Kundenerlebnis verbessert wird. Die Installation dieser IT-Lösungen kostet weniger als die Beschäftigung von zusätzlichen Mitarbeitenden und ermöglicht es zudem, die Ressourcen auf der Trainingsfläche für die Kundenbetreuung einzusetzen, ohne sie im Eintrittsbereich zu benötigen. Nebst der technischen Infrastruktur gibt es weitere Aspekte zu berücksichtigen, welche für Fitnessclubs ohne permanente Betreuung wichtig sind und zu einem sicheren Training beitragen. Der Fokus wird dabei auf die Sicherheit der Mietglieder gelegt.
Sicherheit
Eine entscheidende Rolle im Sicherheitskonzept stellt das Vorhandensein einer funktionierenden Rettungskette dar. Diese soll während der gesamten Öffnungszeiten, also auch während fernbetreuten Trainingszeiten, ausgelöst werden können. Die Aufgaben und Abläufe dieser Rettungskette werden im betriebsinternen Notfallkonzept geregelt.
Wenn Kunden auch ausserhalb der physischen Anwesenheit des Personals Zugang zum Fitnessclub haben, sollen diese systematisch und ausführlich (mündlich und schriftlich) auf den Ablauf der Rettungskette angewiesen werden:
- Mit welchen Mitteln im Notfall alarmiert werden soll
- Wo sich die Notruftelefone befinden
- wo sich Defibrillator und Notfallkoffer befinden
Qualitop Zertifizierung und Krankenkasse Anerkennung
Damit ein Fitnesscenter die Qualitop-Zertifizierung erreichen kann, müssen Standards erfüllt werden. Die Anforderungen werden in der Qualitop-Norm im Detail dargestellt. In einem breit abgestützten Prozess wurden die Normen 2022 überarbeitet. Von Dezember 2022 bis Januar 2023 konnten alle Branchenvertretenden im Rahmen einer Vernehmlassung an einer Umfrage teilnehmen, um mit ihrem Beitrag die neuen Qualitop-Normen aktiv mitzugestalten und den Qualitätsstandard der Branche weiterzuentwickeln.
In den neuen Qualitop-Normen, die ab dem 1. September 2023 gelten, wurden auch die Anforderungen an die Kompetenzen des Personals gemäss Berufsbildungskonzept neu formuliert. Das Verfahren erfolgt weiterhin durch akkreditierte Zertifizierer.
Wer bei einem Qualitop zertifizierten Fitnessanbieter trainiert, wird von über 20 Krankenversicherern mit einem Kostenbeitrag finanziell unterstützt. Bei der Zertifizierung eines Anbieters wird grundsätzlich unterschieden, ob die Mitglieder während der gesamten Öffnungszeiten vor Ort von qualifizierten Mitarbeitenden betreut werden oder ob der Zugang zur Trainingsfläche teilweise auch ohne physische Anwesenheit der Betreuer möglich ist. Für den zweiten Fall müssen die Mindestanforderungen aus der Qualitop Norm „Anbieter fernbetreut“ erfüllt werden, welche nebst den Kernthemen Angebot, Hygiene und Sicherheit auch die Erreichbarkeit an mindestens 30% der angebotenen Tagesöffnungszeiten einer qualifizierten Betreuungsperson voraussetzen. Um diese Anforderung zu erfüllen, richten Anbieter, welche mehrere Standorte betreiben, ihre Systemzentrale für eine synchrone Überwachung der Trainingsflächen ein. Bei Bedarf können Mitglieder mit qualifizierten Mitarbeitenden in Kontakt treten, welche sowohl technische Probleme lösen als auch Trainingsanweisungen geben können. Für Einzelunternehmer hingegen besteht die Möglichkeit, dass der Inhaber und Geschäftsleiter während der Öffnungszeiten auch administrative Tätigkeiten ausführen kann und z.B. im Homeoffice auf einem zusätzlichen Monitor die Trainingsflächen überwacht. Für personallose Fitnessclubs, welche keine systematische Betreuung anbieten, ist eine Zertifizierung nicht möglich. Diese werden von den Krankenkassen auch nicht anerkannt.
Fazit
Aktuell ist die Senkung der Betriebskosten für zahlreiche Inhaber von Fitnessclubs ein sehr wichtiger oder sogar existenzieller Punkt. Da aufgrund der allgemeinen Teuerung viele Kosten steigen (Miete, Energie, Geräte und Verbrauchsmaterial), bietet sich mit dem Betrieb eines fernbetreuten Fitnessclubs unter Einhaltung der Standards die Möglichkeit, die Personalkosten deutlich zu reduzieren, ohne dass die Betreuungsqualität einbüsst und ohne auf die Anerkennung des Angebots seitens Krankenkassen verzichten zu müssen.
Quellenverzeichnis:
- Qualitop Norm Anbieter fernbetreut (2023).
- Qualitop Website. Zugriff am 24.09.2023.
Autor
Marcel Scheucher, promovierter Betriebswirtschaftler, engagiert sich seit über 20 Jahre als Unternehmer in der Fitnessbranche, Zertifizierer für Qualitop und Dozent diverser Bildungsanbieter. Bei der SAFS werden seine Kenntnisse der Unternehmensführung u.a. bei der Weiterbildung „Qualitätsmanagement im Service“ vermittelt.
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