Die Norm als Qualitätssicherung

Im Fachbeitrag vom Juli haben wir einen scharfen Blick auf das Thema «Personalqualifikation» geworfen. In diesem Beitrag greifen wir das Grundkonstrukt – die Qualitätsvereinbarung – noch einmal auf und schauen uns ihre Grundlage genauer an – die Qualitop-Norm. Zuerst wollen wir generell verstehen, was Normen genau sind. Woher sie kommen und wozu es sie gibt?

Was sind Normen?

Im eigentlichen Sinn ist eine Norm (lat. norma = Regel) eine vereinbarte Art, etwas zu tun. Sie drückt aus, dass eine bestimmte Handlung geboten, erlaubt oder verboten ist. Es sind also Regeln oder Handlungsvorschriften, die zumeist auf Werthaltungen basieren. Zwischen Werten und Normen besteht
also ein enger Zusammenhang. Während Werte eine Art «Ziel» darstellen, welches erreicht werden soll, beschreibt die Norm den Weg dorthin (im Sinne einer Verhaltensregel).

Wert (Zielorientierung für das Handeln) Norm (konkrete Verhaltensregel / Handlungsvorschrift)
Ehrlichkeit Du sollst nicht lügen!
Höflichkeit Du sollst älteren Menschen im Zug deinen Platz anbieten!
Respekt Du sollst andere behandeln, wie du selbst behandelt werden möchtest!
Sicherheit In jedem Gebäude in der Schweiz soll ein Defibrillator innerhalb nützlicher Zeit erreicht werden!
Benutzungskomfort Jeder Schweizer Stromstecker soll «gleich» aussehen!

Fiktive Beispiele für den Zusammenhang zwischen Werte und Normen

Wird eine Norm als Rechtsnorm von einer übergeordneten Instanz festgeschrieben, spricht man von einem Gesetz. Gesetze stellen «die Spielregeln einer Gesellschaft» dar (Quelle: VSS-Normung und Recht). So gibt es verschiedene «Ebenen von Regeln», welche durch verschiedene Begriffe wie zum Beispiel Gesetz, Verordnung oder Norm bezeichnet werden und sich in Flexibilität, Detaillierungsgrad oder Verbindlichkeit unterscheiden (siehe Grafik unten). Allgemein verbindliche Rechtskraft besitzen nur die Erlasse einer Behörde (Gesetze oder Verordnungen), welche aufgrund der Verfassung hoheitliche Rechtssetzungskompetenz hat. Normen hingegen werden von privatrechtlichen Organisationen erlassen. Sie einzuhalten ist keine allgemein gültige Obligation, sondern eine freiwillige Auflage, von deren Einhaltung man sich normalerweise einen gewissen Nutzen verspricht.

Was bedeutet es, wenn Dienstleistungen oder Produkte genormt sind?

Normen halten nachvollziehbar fest, was von einem Produkt oder einer Dienstleistung erwartet werden kann und geben dadurch gleichzeitig vor, welche Regeln bzw. Bedingungen bei Produktion respektive Erbringung eingehalten werden sollen oder müssen. Die Anwendung von Normen ist freiwillig.
Bindend werden Normen nur dann, wenn sie Gegenstand von Verträgen zwischen Parteien sind oder der Gesetzgeber ihre Einhaltung zwingend vorschreibt. Für Unternehmen kann sich jedoch ein faktischer Zwang zur Anwendung von Normen ergeben, wenn diese beispielsweise in Einkaufsbedingungen festgeschrieben werden. Insbesondere Schweizer Zulieferfirmen sind davon betroffen, wenn Sie in EU-Staaten exportieren und die Vertragspartner die Einhaltung von Europäischen Normen fordern. Dienstleistungsnormen wie die Qualitop-Norm halten Anforderungen fest, die durch eine Dienstleistung erfüllt werden müssen, um eine Zweckdienlichkeit zu erfüllen.

Wie kommt eine Norm zustande?

Eine Norm ist ein Dokument, das die Anforderungen an Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren beschreibt. Damit schafft sie Klarheit über deren Eigenschaften und erleichtert das Zusammenspiel der beteiligten Akteure in Dienstleistungserbringung, Warenverkehr oder Produktnutzung. Normen sind also immer auch eine Art oder ein Teil der Qualitätssicherung. Sie werden nicht durch den Gesetzgeber, eine Behörde oder einen staatlichen Regulator erarbeitet, sondern durch die interessierten Kreise selbst. An der fachlichen Arbeit in den Normenkomitees können sich alle am Thema Interessierten beteiligen und ihr Fachwissen einbringen. Im besten Fall stellen Normen eine Art «destillierte Weisheit von Menschen mit Fachkenntnissen» dar, die die Bedürfnisse an das genormte Ergebnis kennen. Und weil sich Anforderungen an Dienstleistungen oder Produkte mit der gesellschaftlichen Entwicklung verändern, sind auch Normen einer stetigen Weiterentwicklung unterworfen. Und genau das passiert aktuell auch mit den Qualitop-Normen. Qualitop hat ein Projekt ins Leben gerufen, die Norm zu überarbeiten und damit der Entwicklung in der Fitnessbranche anzupassen.

Der Nutzen einer Norm am Beispiel Qualitop

Die Qualitop-Norm regelt das Zusammenspiel in eingangs erwähnter Vereinbarung zwischen Kunde, Fitnessanbieter und Versicherer. Einfach formuliert besagt sie, dass der Versicherer sich an den Kosten des Kunden beteiligt, wenn dieser das Training in einem anerkannten (Qualitop-zertifizierten) Center
ausübt. Die Basis für die Vereinbarung ist die Annahme, dass die Nutzung der Dienstleistung in einem solchen Center (Training), die Gesundheit des Kunden nachhaltig positiv beeinflusst. So profitieren im optimalen Fall alle Beteiligten von der Abmachung (Win-win-Situation):

  • Der Versicherer geht von einem wirtschaftlichen Nutzen aus: Er muss weniger Kosten tragen, weil seine Kunden gesünder sind.
  • Das Fitnesscenter geht von einem wirtschaftlichen Nutzen aus: Es hat mehr Kundenzulauf, weil seine Dienstleistung durch die Kundensubvention des Versicherers günstiger wird.
  • Der Fitnesskunde hat einen gesundheitlichen sowie wirtschaftlichen Nutzen: Er profitiert durch ein qualitativ gutes Training von besserer Gesundheit und muss gleichzeitig die Kosten dafür nicht vollumfänglich selbst tragen.

Gute Normen, schlechte Normen

Abgeleitet aus obigem Kapitel könnte man sagen, dass die Qualitop-Norm den Wert «Gesundheit» als Ziel hat. Was dies genau heisst, sollte von den verschiedenen Mitgliedern der Normungskommission einheitlich verstanden werden und bei der Erarbeitung der Norm im Zentrum stehen. Ist dem nicht so, so kann es Sinn machen, das Ziel zuerst zu klären. Bei der Erarbeitung der Norm sollte dies dann durch grösstmögliche Klarheit zum Ausdruck kommen. Das ist wichtig, damit die Norm auch tatsächlich in der Praxis angewendet werden kann. Zuviel Eloquenz kann bewirken, dass Normen an Klarheit verlieren, interpretationsbedürftig werden und nicht mehr zweckdienlich sind. Wo immer möglich gilt also das «KISS-Prinzip»: keep it simple  and stupid!

Maxime Schlechtes Beispiel Gutes Beispiel
Interpretationsraum so klein als möglich halten Das Auto soll blau sein Das Auto soll blau (RAL5020) sein
Jede Norm sollte fokussiert und identifizierbar sein Jede Norm sollte fokussiert und identifizierbar sein 1. Farbe: das Auto soll blau sein
2. Grösse: das Auto darf nicht über 5m lang sein
Die Anforderung sollte überprüfbar sein In jedem Gebäude in der Schweiz soll ein Defibrillator innerhalb nützlicher Zeit erreicht werden! In jedem Gebäude in der Schweiz soll ein Defibrillator innerhalb vom 30 Sekunden erreicht werden!
Klar und präzis formulierte Anforderung Der Dienstleister bemüht sich um Klarheit seines Angebots. Das Angebot ist klar verständlich.

Beispiele wie Normen besser oder schlechter gestaltet oder formuliert sein können

Die Qualitop-Norm

Wir haben also gelernt, dass Normen eine Grundlage für das Funktionieren einer Gesellschaft darstellen. Sie regeln, wie wir zusammenleben und bilden dabei immer auch den Zeitgeist ab. Manche sind dabei wichtiger, weil sie für viele (alle) Menschen gelten. Andere wiederum betreffen nur eine kleinere Gruppe von Personen und fokussieren auf einen ganz spezifischen Bereich. Die Qualitop-Norm gehört dabei wohl eher zu den unwichtigeren Normen. Nichts desto trotz: Wer im Fitnessbereich tätig ist kennt und schätzt sie, weil sie durch die Einforderung von Qualität die Dienstleistungen verbessert und gleichzeitig für alle Beteiligten wirtschaftlichen Nutzen erzeugt. Hinweis: Das Einbringen von Fachkenntnis und Erfahrung in die Überarbeitung der Qualitop-Normen ist sehr willkommen. Personen mit Interesse an der Weiterentwicklung der Schweizer Fitnessbranche und an der Mitarbeit in der Normungskommission wenden sich gerne direkt an Qualitop.

Autor

Name: André Bratschi

Beruf: Zertifizierer Label Qualitop & Projektmanager

Website: certium.ch 

Motto: Qualität ist eine Frage der Einstellung

Nach einer technischen Ausbildung arbeitete André in verschiedenen Führungsfunktionen, zuerst in der Elektroindustrie, dann in Telecom und IT. Als Ausgleich trieb es ihn immer schon hinaus in die Natur: sei es auf 42.195km langen “Spaziergängen“, mit Skis oder Snowboard im Tiefschnee oder auf Klettertour in den Bergen. Seine Passion für Sport und Bewegung sowie die Vision, die Menschen ins Zentrum seiner Tätigkeit zu stellen, führten ihn dann mit dem Fahrrad durch drei Kontinente, ehe er sich mit der Ausbildung zum Coach und Supervisor das Rüstzeug für seine heutige Tätigkeit aneignete. Als selbständiger Berater verbindet André heute seine langjährige Erfahrung mit der Faszination für die Arbeit mit Menschen. So übernimmt er Mandate zur Leitung von grossen und komplexen Projekten oder er unterstützt in der Rolle als Coach und Organisationsentwickler Personen und Organisationen dabei, Hürden zu überwinden, Perspektiven zu entwickeln und Ziele zu erreichen. Auch in seiner Tätigkeit als Zertifizierer für Qualitop legt er darum, neben der erforderlichen Kontrolle von Anforderung und Normen, den Fokus auf Hilfestellung und Unterstützung – damit man gemeinsam wachsen kann!

©Qualitop – Auf Kopieren oder anderweitiges Vervielfältigen wird mit rechtlichen Schritten reagiert.